Hyperventilieren

Das Hyperventilieren, resp. das "mehr atmen" als es der Stoffwechsel verlangt, gehört zum Formenkreis der funktionellen Atemstörungen. Man beobachtet Atemunruhe, häufiger Wechsel von flachen und tiefen Atemzügen, unkoordinierte Atembewegungen, angestrengte Atmung. Durch zu schnelles atmen (Überspielen der Atempause) wird zuviel Kohlendioxid abgeatmet. Im Blut steigt der Sauerstoffanteil an und der Kohlendioxidgehalt fällt stark ab. Durch die schnelle, jedoch unergiebige Atmung kommt es oft zum belastenden Herzrasen. Meistens werden Patienten nach gründlicher Abklärung beim Arzt in die Atemtherapie geschickt. Menschen, die hyperventilieren sind oft zuerst in einer längeren Phase durch einen inneren Konflikt gegangen mit Dialogen, die nicht genügend nach aussen getragen werden konnten. Dieser Konflikt (Ärger, Wut) sucht sich einen Ausweg.

Was geschieht blutchemisch?
Durch die Verminderung des Kohlendioxidpartialdrucks in den Lungenbläschen, kommt es zu einer Verschiebung des Säure-Basen-Gleichgewichts im Blut, der pH-Wert steigt stark an, das Blut wird zu basisch (respiratorische Alkalose). Kohlendioxid ist zwar ein Abfallprodukt, muss jedoch in einem bestimmten Verhältnis zum Sauerstoff im Körper vorhanden sein. Bei starker Hyperventilation kann der CO2-Anteil im Blut in weniger als 30 Sekunden um 50% absinken. Innerhalb einer Minute treten Symptome auf. Schmerzen in der Brust, Engegefühl, Verkrampfung der Bronchien und der Stimmritze, einhergehend mit einem sehr unangenehmen Gefühl der Verlorenheit und des Kontrollverlustes, bis zur Verkrampfung des ganzen Körpers.

Warum verkrampfen sich die Muskeln?
Das freie Kalzium im Blut ist u.a. dafür verantwortlich, dass die Muskeln geschmeidig arbeiten können, d.h. immer wieder entspannen können. Hyperventilation bewirkt über die CO2-Reduktion eine tiefe Kalziumionen-Konzentration im Blut. Weil der Anteil von freiem Kalzium im Blut absinkt, sind die Nervenzellen erregbarer als sonst und können eine Alarmreaktion auslösen. Weil sich auch die Blutgefäße im Gehirn verengen, wird die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn beeinträchtigt. Das kann zu Schwindel, Konzentrationsstörungen und Schwarzwerden vor den Augen führen und die bestehende Unruhe noch verstärken.

Was ist ein relativer Ca-Mangel?
Beim Hyperventileren entsteht nur ein relativer und nicht ein absoluter Kalziummangel. Bei der Rückatmung des zuviel abgeatmeten Kohlendioxids reguliert sich dieser Ca-Mangel sofort und der Patient kann sich wieder entspannen.

In der Atemtherapie lernt die betroffende Person, sich mittels einfachster Massnahmen selber zu helfen. Das zuviel abgeatmete Kohlendioxid muss wieder eingeatmet werden, dies mittels der eigenen Hände, die schalenartig vor den Mund und die Nase gehalten werden, oder mit einer Tüte, die man zuerst aufbläht, um dann die abgeatmete Luft nach und nach wieder einzuatmen.

Immer wieder beobachte ich, wie Klientinnen und Klienten erleichtert sind über die Kenntnisse dieser Massnahmen. Sobald sie verstehen, dass hyperventilieren nicht eigentlich lebensbedrohlich ist, werden sie sofort ruhiger und entwickeln die Fähigkeit selbst etwas zu tun, damit die grosse Beunruhigung nachlässt und die Symptome abklingen können. Im Weiteren wird daran gearbeitet, die Atmung bewusster geschehen zu lassen und ihr im Alltag wieder mehr Raum zu geben, damit sie ihre natürliche Reaktionsweise und Elastizität wiederfindet. Oft sind auch Personen, die viel sprechen müssen davon betroffen.

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